Berlin

Ende einer Dienstfahrt

An der Gneisenaustraße fuhr ein betrunkener Diplomat seinen Mercedes schrottreif. Foto: Thomas Schröder
An der Gneisenaustraße fuhr ein betrunkener Diplomat seinen Mercedes schrottreif.

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Betrunkene koreanische Diplomaten verunglückten in Kreuzberg / Die Polizei darf in solchen Fällen nicht ermitteln

von Andreas Kopietz

Berlin - Die koreanischen Diplomaten hatten es eigentlich nicht mehr weit. Nach einer feuchtfröhlichen Sause durch die Berliner Nacht wollten sie Donnerstag früh mit ihrem Mercedes offenbar noch einen Abstecher zum Mehringdamm in Kreuzberg machen. Dort ist „Kim’s Karaoke“, eine Bar, deren Publikum vorwiegend aus Koreanern besteht.

Die drei Männer hatten es eilig, und ihr Wagen fuhr ziemlich schnell über die Gneisenaustraße. An der Ecke Solmsstraße verlor der Fahrer gegen 1.30 Uhr die Gewalt über das Fahrzeug, kam nach links von der Fahrbahn ab, krachte gegen die Begrenzungssteine des Mittelstreifens und streifte einen Baum. Am Wagen entstand Totalschaden.

Die Diplomaten – zum Teil ranghohe Mitarbeiter der südkoreanischen Botschaft – blieben unverletzt. Allerdings stellten die Polizisten, die zum Unfallort gerufen wurden, laut einem internen Bericht „klare Anzeichen für eine starke Alkoholisierung“ fest. Die schwankenden Männer, die sich gegenseitig stützen mussten, brauchten jedoch nicht einmal ins Alkoholtestgerät zu pusten. Denn strafrechtliche Konsequenzen wird der Unfall für sie nicht haben, weil sie diplomatischen Schutz genießen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Fahrer von Diplomatenautos in Berlin einen Unfall verursachten. Im Januar fuhr in Schmargendorf ein Diplomat aus Katar einen Rentner an. Der Diplomat steckte ihm Geld zu, weil die Brille des Rentners kaputt gegangen war, und flüchtete, bevor die Polizei kam.
Täglich sind bis zu 1 500 Autos von Diplomaten in Berlin unterwegs und laut vorsichtigen Schätzungen an zwei bis drei Unfällen beteiligt. Mehr als 100 Straftaten von Diplomaten und deren Familienangehörigen registriert die Berliner Polizei jedes Jahr. Darunter sind Diebstähle, Prügeleien oder Alkoholfahrten. So wurden vor zwei Jahren Mitglieder einer kasachischen Regierungsdelegation beim Schuh-Klau in der Innenstadt erwischt.

Solche Fälle werden gerne diplomatisch verschwiegen. Ermitteln darf die Polizei nicht. Ihr bleibt nur die Möglichkeit, einen Hinweis an das Auswärtige Amt zu geben. Nur in Ausnahmefällen, wenn etwa ein Diplomat im Begriff ist, eine schwere Straftat zu begehen, darf die Polizei gegen ihn vorgehen. Ein Rundschreiben des Auswärtigen Amtes regelt, was die Polizei alles nicht darf. Danach sind Strafbescheide für Verkehrsordnungswidrigkeiten oder Verwarnungen für Parkverstöße völkerrechtswidrig. Das Anhalten eines Diplomaten bei Anzeichen einer Trunkenheitsfahrt ist erlaubt; er muss auch seinen Protokollausweis zur Identitätskontrolle vorweisen. Alkoholtests anzuordnen ist aber unzulässig. Das Abschleppen falsch geparkter Autos ist „mit der Unverletzlichkeit der Beförderungsmittel der konsularischen Vertretung unvereinbar“. Zahlen übers Falschparken von Diplomaten nennen Behörden nicht.

Bei schweren Delikten werden die Heimatländer diskret gebeten, die Übeltäter abzuziehen. „Wir nehmen solche Vorfälle sehr ernst“, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. „Wir weisen die Botschaften dann darauf hin, dass so etwas für uns nicht akzeptabel ist.“ Es habe auch schon schwere Vergehen gegeben, nach denen ein Diplomat Deutschland verlassen musste.
Ein solcher Fall ereignete sich zum Beispiel im Februar 2007, als der betrunkene Botschafter Bulgariens Schlangenlinien fuhr. Polizisten stoppten ihn nach längerer Verfolgungsjagd. Ein Beamter zog den Zündschlüssel ab, doch der Botschafter steckte einen Ersatzschlüssel ins Schloss, fuhr weiter und rammte dabei einen Polizisten. Bulgarien zog den Botschafter ab. Vor zwei Jahren musste ein mongolischer Diplomat Deutschland verlassen, weil er Millionen Zigaretten als „Diplomatenpost“ geschmuggelt hatte.
Die Koreaner von Donnerstag früh werden wohl bleiben dürfen. Sie wankten die restlichen Meter zur Karaoke-Bar zu Fuß weiter. Die Polizisten bestellten für den schrottreifen Mercedes einen Abschleppwagen.